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10.03.2015 21:53 Uhr
Sucht-Selbsthilfe im Wandel
Die AHG Klinik Römhild hatte am Samstag nach längerer Pause wieder zum Römhilder Selbsthilfetag eingeladen und will dieses traditionelle Treffen von Vertretern in Thüringen und darüber hinaus agierender Selbsthilfegruppen neu beleben.
Von Gabi Bertram
Römhild - Die da ans Rednerpult treten, sind keine Ärzte oder Therapeuten. Sie sind Vertreter von Suchtselbsthilfegruppen und -verbänden, von den Anonymen Alkoholikern über das Blaue Kreuz bis hin zu den Freundeskreisen, den Guttemplern und dem Kreuzbund. Offen sprechen sie über sich und ihre Erfahrungen mit und in der Selbsthilfe.
Mit d er Ernennung von Jacqueline Zlatosch als neuer Selbsthilfebeauftragten will die AHG Klinik die Zusammenarbeit zwischen der stationären Entwöhnungseinrichtung und der Suchtselbsthilfe neu konzipieren und intensivieren.
Im Z eitalter von Chrystal Meth und Ecstasy, Cannabis und Amphetaminen, sagt Jana Heinrich, Leitende Therapeutin der AHG Klinik, stünden auch die Selbsthilfegruppen vor neuen Herausforderungen. Die Gruppen würden sich zwar den oft mehrfach Drogenabhängigen öffnen, aber es sei schwierig, in vorhandenen Strukturen zu reagieren und zu agieren und sich in der Verschiedenheit der Suchtproblematik zu finden. Heinrich wünscht sich zwar selbstständige Drogen-Selbsthilfegruppen, weiß aber auch, dass dies im ländlichen Raum eher problematisch ist.
Vertrauen braucht Zeit
Sechs Freundeskreise gibt es in Thüringen, einer davon in Eisfeld. Peter Ilgen kommt aus Schmalkalden. Er kann nur jedem mit einem Suchtproblem empfehlen, sich "seine" Selbsthilfegruppe zu suchen. Er selbst fand auf Drängen seiner Frau Mitte der 90er Jahre zunächst zu einer Beratungsstelle, dann zum Freundeskreis. "Zum ersten Mal", erzählt er, "wurde ich verstanden, hab andere mit ähnlichen Problemen kennen gelernt und welche, die es geschafft hatten." Die Gemeinschaft Gleichgesinnter hat ihm zurück ins Leben geholfen - und seine Familie auch. Aber dafür, meint er, müsse man sich auch Zeit nehmen, sich auf andere einlassen, über sich nachdenken und Vertrauen finden. Freundschaft und Gemeinschaft sind für Peter Ilgen alles, und das, schüttelt er den Kopf, finde man heutzutage eher selten. "Die jungen Leute mit Drogenproblemen wollen Fun und täglich Dynamik, und die Bindung, die wir für uns aufgebaut haben, haben sie in der Hosentasche, nämlich ihr Handy." Auch er sieht auf die Selbsthilfegruppen eine immense Herausforderung zukommen.
Heute selbst Helfer
Gertraude Grünbeck aus Sonneberg spricht in tiefer Dankbarkeit. Sie hat hier in der Klinik in Römhild die Therapie mit Erfolg beendet und in der Selbsthilfegruppe in Sonneberg weiter Hilfe, Stütze, Kraft und Freunde gefunden. Heute hilft Gertraude Grünbeck anderen Suchtkranken, engagiert sich als Suchtlotse im Thüringer Lotsennetzwerk, spricht mit Angehörigen und auch mit Jugendlichen über das Thema Sucht, hat sich zur Suchtkrankenhelferin ausbilden lassen.
Ihr Appell richtet sich an alle, nicht und niemand aufzugeben, dran zu bleiben, "weil ich selbst weiß, wie schwer es ist, von der Sucht loszukommen".
Es gibt keine Bremse
Die neuen Herausforderungen und Inhalte der Selbsthilfe schildert Birgit Walther aus Dresden eindrucksvoll aus eigener schmerzvoller Sicht. Sie gehört einer Gruppe von Eltern und Angehörigen von drogenabhängigen Kindern und Jugendlichen an. "Von Gras über Alkohol bis zu Amphetaminen und Pilzen, wird alles konsumiert. Und dein Kind steht am Abgrund, und du hast keine Bremse." 2012 hat sich die Gruppe zusammengefunden, hat sich nicht nur Selbsthilfe auf die Fahnen geschrieben, sondern auch Prävention. "Wir müssen aus der Sprachlosigkeit raus und anderen betroffenen Eltern zeigen, dass sie nicht allein sind", sagt sie, die lernen musste, dass ihre Bremse ihren Sohn nicht bremsen konnte, und trotzdem nicht aufgibt: "Auch der weiteste Weg beginnt mit dem ersten Schritt."
Die Selbsthilfegruppe der Anonymen Alkoholiker nennt Walter Hölzer aus Suhl einen Glücksfall für sich. "AA hat mich auf den Weg verwiesen, und ich danke allen, die mich begleitet haben," sagt er bewegt. Hier habe er Verständnis gefunden und einen starken Rückhalt bei Gleichgesinnten.
Die Traditionen der Selbsthilfegruppen zu bewahren und doch Türen in die Gemeinschaft zu öffnen für junge Leute, mit anderen Suchtproblemen als Alkohol, das fordert auch Matthias Widder vom Freundeskreis Hildburghausen. Immer neue Süchte gebe es und immer mehr junge Leute, die gleich mehrfach suchtbelastet seien.
Im Lotsennetzwerk
Vom Kreuzbund kommt Frank Hübner, und er vertritt zugleich das Projekt Lotsennetzwerk in Thüringen, das seit 2009 arbeitet. Losten, sagt er, sind Leute aus Sucht-Selbsthilfegruppen, die abstinent leben und die selbst erfahrene Hilfe eins zu eins weitergeben. Manch einer, weiß er aus Erfahrung, traue sich weder in eine Beratungsstelle, noch in eine Selbsthilfegruppe, will sein verkorkstes Leben da nicht ausbreiten. Gleichfalls Betroffenen gegenüber sei das leichter. Inzwischen sind 94 Lotsen in Thüringen im Einsatz, im Landkreis Hildburghausen zehn. Im Netzwerk agieren neben den Lotsen auch Vertreter von Suchtkliniken, Therapeuten, Beratungsstellen bis hin zur Polizei. Nur wenn alle Seiten aufeinander zugehen, plädiert er, angefangen von der professionellen Suchtmedizin und -therapie bis hin zu den Strukturen der Selbsthilfegruppen in all ihren Facetten, dann funktioniere der Weg aus der Sucht.
Auch Frank Hübner hat ein Suchtleben hinter sich. "Ich hatte gerade eine ambulante Therapie beendet", erzählt er, "als ich als Bauarbeiter in Frankfurt/Main Arbeit fand und dort mit fünf anderen Bauarbeitern auf einem Zimmer wohnte. Da ging's ordentlich zur Sache, und ich knochentrocken dazwischen." Das, gibt er zu, hätte er allein nicht lang ausgehalten, hat sich Hilfe bei der Selbsthilfe gesucht, die ihn über anderthalb Jahre mittrug. Und diese Hilfe weiterzugeben, das hat sich Frank Hübner zur Lebensmaxime gemacht.
Begleitung und Sicherheit
Selbsthilfe, sagt Jacqueline Zlatosch, kann die professionelle Suchthilfe begleiten, unterstützen und Sicherheit geben. Auch deshalb sei sie angetreten, die Zusammenarbeit mit den regionalen Gruppen und mit der Landesstelle für Suchtfragen wieder zu forcieren. Ja, fügt Jana Heinrich hinzu, den Patienten der AHG Klinik werde nachdrücklich ans Herz gelegt, sich einer Selbsthilfegruppe anzuschließen. Die Abstinenzfähigkeit sei damit nachweisbar besser. Aber die Tradition der Alkoholikerselbsthilfe, so Heinrich, würde sich der aktuellen Suchtproblematik anpassen müssen. Sich öffnen für junge Drogenabhängige, das sei für alle eine Herausforderung. Deutlich wurde bei diesem Selbsthilfetag, dass die Gruppen und Verbände bereit sind, sich diesen neuen Aufgaben zu stellen. In Workshops wurde am Nachmittag darüber noch viel diskutiert.
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